Und, da ist er wieder. Der Traum dem Alltag den Rücken zu kehren und sich irgendwo in der Ferne niederlassen. Zum Beispiel auf einer einsamen Insel, wo nichts an den Alltag erinnert. Dort wo man nicht von „la crisis“, „el rescate“ und der „prima de riesgo“ spricht. Denn nun sitzen wir ja schon seit Wochen im traurigen Spanien und die schöne TUVALU liegt einsam in Trinidad. Hoffentlich sausen wenigstens die Hurrikane schadlos an ihr vorbei.
Ja, wir wollen wieder hinaus. Die See ruft. Doch, warum denn auch? Ist es Drang nach der Ferne? Dort wo scheinbar „Ordnung nur und Schönheit, Luxus, Stille und Wollust“ herrscht? Einfach weg von hier, aus dem krisengeschüttelten Spanien – weil es auf einer schönen Palmeninsel einfach besser ist? Wo die Exotik uns glücklich macht, die bunten karibischen Märkte, das unverständlich Chaos der Fremden oder die stille Weite der Ozeane?
Vor mir liegt der „Pacific Crossing Guide“. Bora Bora. Motu Tunga. Hiva Oa. Nur schon diese Worte lösen eine unstillbare Sehnsucht aus. Geschweige denn die Seekarten und die sparsam gesetzten Fotos. Stundenlang, wochenlang kann ich mir auf der Seekarte ausdenken wie wir da jetzt durch dieses und jenes Riff fahren, wann und von wo aus wir die nächste grosse Überfahrt starten. Darwin, Cook, Humboldt, Geiss, Kolumbus, Moitessier, Cornell. Ganze Bücherwände werden zerlesen.
Nach einem Jahr segeln müssten wir doch wissen, dass es auch nicht immer nur toll ist: „Wir sahen Sterne und Wogen; wir sahen Wüsten auch; Und trotz mancher Widrigkeiten und schlimmen Überraschungen haben wir uns oft gelangweilt; so wie hier“. Doch dies hält uns nicht davon ab. „Mir scheint immer, dort, wo ich nicht bin, wäre ich glücklich“. Der Mensch ist stur.
Deshalb gehe ich Abends zum Hafen. Im Port Vell in Barcelona, wo mich der „unendliche, geheimnisvolle Reiz der Schiffe erregt“. Diese „riesigen, unermesslichen, ungeheuer vielfältigen, dennoch schön bewegten Wesen“. Die sich wie „ein genialisch begabtes Tier“ verhalten, welche „alle menschlichen Seufzer und Sehnsüchte mitleiden und verhauchen“. Da also, wo dieses unwiderstehliche Gefühl des Zeitlosen schon leicht mitschwingt. Vielleicht vergleichbar mit Autobahnraststädten und Flughäfen. Nur sind Häfen noch intensiver. Es ist weniger das Ankommen oder Losfahren. Die Luft ist getränkt vom weder hier noch dort, vom weder gestern, heute noch morgen. Von der Vorfreude auf das in weiter Ferne liegende, noch ungetrübt und jungfräuliche exotische Ziel.
Reisen findet also – auch – im Kopf statt. Zuhause, auf dem Atlantik, in Kuba, auf Tuvalu. Einmal unterwegs sind Reisen Geburtshelfer von Gedanken. Befreit von den Ängsten und Zwängen der Heimat fördert die Weite des atlantischen Horizontes oder das Chaos des karibischen Marktes das Entstehen eines inneren Zwiegesprächs. Neue Gedanken erfordern zuweilen eine neue Aussicht. Viele pflegen ihre Wurzeln, ihre Dialekte, ihre Tradition – das Vertraute. Ich hingegen war schon immer Ausländer. Als Fremder kann man der Tradition nur Sehnsucht entgegen halten. Suchen wir etwas – ausser uns selbst?
Wohin sollen wir nun also segeln? Das gute an Weltumseglungen ist, dass sie keine Ziele haben. Nirgendswohin und überall sollten wir hin. Die Fremde ist unsere Heimat. Zuhause ist wo man mich hört.
Charles Baudlair (1821 -1876, Paris) versuchte nur ein einziges mal seine Reiseträume umzusetzen: mit dem Schiff nach Indien. Doch nach drei Monaten auf See geriet das Schiff vor Mauritius in schwere Stürme worauf er die Reise abbrach und zurück nach Paris fuhr. Die Folge war ein lebenslanger innerer Zwiespalt in Bezug auf das Reisen. Die Zitate (mit Anführungszeichen) stammen aus Charles Baudlair; Tagebücher; Carl Hansen Verlag; München
Bild: Edward Hopper / Room by the Sea
Nb.: Natürlich empfehlen wir zum Thema auch Freddy Quinn: http://youtu.be/kSYblBKZ75Y: Ich weiss noch wie die erste Fahrt verlief | Ich schlich mich heimlich fort als Mutter schlief | Als sie erwachte war ich auf dem Meer | Im ersten Brief stand „Komm doch bitte wieder her“ | Junge komm bald wieder bald wieder nach Haus | Junge fahr nie wieder nie wieder hinaus
Me alegra saber de vosotros. Que palabras tan bonitas. Se me pone piel de gallina. Un abrazo
Siempre,un buen momento cuamdo tenemos noticias nuevas de vosotros
y porsupuesto cuando leemos buestras narraciones……..miedo¡¡¡¡¡¡¡¡¡¡¡a quedarse en tierra anclado con los fantasmas, de la actual economia y los patrones diseñados;
Enorabuena por ser valientes, narrar vuestras experiencias llena de la belleza que rodea vuestra aventura por no tener miedo a sentir,vivir,aprender y compartir….la verdadera generosidad para el futuro,consiste en entregarlo todo al presente…..gracias
Hans, bist du mehr Philosoph oder mehr Seefahrer?……Du bist beides! Und die Mischung ist perfekt. Mach weiter so! Viel Glück
Katharina und Kurt