Paul schaut über das Vorschiff hinaus auf die Meerenge von Messina. Sein Blick ist scharf, inspizierend, analysierend. Ganz englischer Kapitän, darüber kann auch der lockere Dress, kurze Shorts und ein beiges T-Shirt, nichthinwegtäuschen. Der Morgen ist idyllisch, Wolken sind am Himmel kaum auszumachen. Die milde Septembersonne wärmt meine Haut. Links der Ätna, ein leichter Rauch steigt durch den Morgendunst aus dem nur knapp auszumachenden Gipfel. Rechts liegt das liebliche Regio Calabria, ich denke an Pizza, Martini und summe leise «Parole, Parole». Doch vor uns ist das Wasser aufgewirbelt, widerspenstig, was der scharfe Blick meines Kapitäns sofort ausmacht. Definitiv nicht normal. Etwas stimmt nicht. Vor einer halben Stunde habe ich ein leises, rhythmisches Klopfen aus dem Motorenraum vernommen. Doch mir schien, dass der Motor sonst leise und zufrieden vor sich hin brummt. La dolce vita, certa.
Dann ein lautes Knallen, wie ein Peitschenschlag, ein harter Ruck geht durch das Schiff. Kein Rauch, auch keine Lavablocken die vom Himmel fallen. Der Ätha schmaucht wie eh und je. Doch nun herrscht Stille. Kein leises Brummen mehr. Ein leichtes Gurgeln vielleicht. Eine Möve kreist über uns und tut, als ob alles ganz normal wäre. Ich schaue irritiert in die Runde. Wir schaukeln sanft hin und her. Langsam dreht die Jacht ab und treibt gegen das Ufer hin. Wir hätten es ja wissen müssen.
Denn Charybdis hat wieder einmal ganze Arbeit geleistet. Dreimal am Tag saugt das Meeresungeheuer das Wasser ein um es dann brüllend wieder auszustoßen. Ich versuche verzweifelt den Feigenbaum auszumachen, an welchen sich schon Odysseus rettend geklammert hat. Doch nirgendwo ist er zu sehen. So treiben wir haltlos auf den großen Wirbel Scylla zu, den Paul wohl schon vor ein paar Minuten bemerkt hat.
In einem Akt der letzten Verzweiflung lassen wir das Dingi zu Wasser. Falls Scylla unsere Jacht ganz nach unten zieht, können wir uns so noch an Land retten. Doch Andi und Paul, gestandene doppelte Weltumsegler (nun ja, beinahe – für den Abschluss der zweiten Runde fehlen nur noch ein paar lächerliche Meilen), haben eine andere Idee. Sie setzen mich ins Dingi. Seitlich an die Jacht vertäut schiebe ich uns so im ungleichen Doppelpack voran. Langsam, aber stetig verlassen wir die gefährliche Zone, das aufgewirbelte Wasser, die Meeresungeheuer und die saugenden Wirbel. Bis wir letztendlich in der Marina dello Stretto landen, wo wir uns erschöpft an die erstbeste Mole binden. Erleichtert steige ich an Land. Wer hätte gedacht, dass ich mit einem 3,2 Meter kurzen Dingi je die Meerenge von Messina durchqueren würde.
Im griechischen Zakynthos durfte ich vor ein paar Tagen auf die wunderschöne Jeanneau 57 «Talulah Ruby lll»zusteigen. Während Jahren waren wir mit unseren Jachten gemeinsam im pazifischen und indischen Ozean unterwegs. So freute es mich speziell, sie auf ihrer letzten Etappe begleiten zu können, welche sie ins heimatlichen Lanzarote führen soll. Die erste Etappe von Griechenland nach Sizilien war ein schneller und bequemer Overnight – Trip. Weiter sollte es nun nach Sardinen gehen.
Doch jetzt sitzen wir hier in der Strasse von Messina fest. Was vorerst nach einem unbedeutenden Keilriemenschaden ausgesehen hat, hat sich als schwerer Motorschaden entpuppt. So musste gestern in schweisstreibender Manier der Motor mit einem grossen Kranen aus der Jacht gehoben werden, um ihn beim autorisierten Volkswagen – Mechaniker komplett zu überholen.
Die Ankunft im vertrauten Lanzarote wird ganz in homerscher Tradition auf einen unsicheren Zeitpunkt in der Zukunft verschoben. Charybdis hatte halt andere Pläne mit uns.
Nada como un motor potente del dingy! Con el nuestro no nos hubiéramos movido