#3 draussen im nichts: ULANI

2020-05-02T08:25:13+00:00 2 Mai, 2020|# in the middle of nowhere, 2020|

Dialog mit Weltumsegler in Quarantäne: Das Schweizer Paar Sandra und Philippe Ochsenbein startete 2010 in Kroatien zu ihrer Weltumseglung und ist nun via Atlantik, Karibik, Pazifik, Australien, Indonesien in Malaysia angekommen. Ihre Yacht heisst ULANI, eine Etap 46 DS  mit einem 14m langen unsinkbaren Rumpf aus Fiberglas. Seit unserem unerwarteten Treffen in der Karibik versuchen sie uns zu entwischen, was aber nicht wirklich klappt.

Wir haben allen am Dialog teilnehmenden Segler dieselben Fragen gestellt. Um Euch nicht zu langweilen, geben wir aber ab #2 bloss noch eine Kurzversion der Fragen wieder.

Location

Ein Sprichwort sagt: Frag nie einen Segler wohin er als nächstes hinsegelt! Als Segler sind wir uns ja gewohnt, dass sich unsere Pläne plötzlich ändern. Sei es, weil das Wetter kehrt, wir technische Probleme haben oder was auch immer. Wo seit Ihr?

Unsere Reiseplanung umfasste ein längeres Verweilen auf der Insel Langkawi (Malaysia). Wir haben nach zwei Segeltrips zum Nachbarstaat Thailand Ende Februar 2020 wieder in Langkawi angelegt. Der Lockdown hier in Asien ist vergleichbar mit den harten Einschränkungen in Spanien und Italien. Da die Segelsaison im April/Mai zu Ende geht und die Monsunzeit hereinbricht, wollten wir den Sommer in Europa verbringen. Nach fast zwei Jahren freuten wir uns auf ein Wiedersehen mit Familie und Freunden. Dies mussten wir alles stornieren, was natürlich mit einer gewissen Enttäuschung einher geht.

Existentielle Angst kam nie auf, wir fühlen uns hier sehr sicher. Die Massnahmen, die Kommunikation und die Organisation in Malaysien hat uns sehr positiv überrascht. So sind überall Masken und Desinfektionsmittel verfügbar. Sogar möglichen Wucherpreisen wurde frühzeitig einen Riegel vorgeschoben. Die Regierung publizierte eine verbindliche Liste mit den wichtigsten Lebens- und Hilfsmitteln und die dazu festgelegten Preise. Auf der Insel gibt es aktuell KEINEN positiv getesteten Fall. Alle vier bisherigen sind genesen.

Bürokratie

Meist haben wir das Ein- und Ausklarieren ja problemlos überstanden. Oft haben diese Geschichten uns jedoch Stoff für endlose Anekdoten geliefert. Wie reagieren die Autoritäten?

Da wir per Zufall kurz vor den Grenzschliessungen wieder eingereist sind, sind wir noch immer innerhalb unseres 90-Tage-Visas. Aus diesem Grund hatten wir noch keinen Kontakt mit den entsprechenden Behörden Wir sind jedoch zuversichtlich, dass wir kein Problem kriegen werden. Die Schweizer Botschaft haben wir per E-Mail kontaktiert, jedoch nur um mitzuteilen, dass wir zurzeit keine spezielle Unterstützung benötigen. Auch werden wir hierbleiben und wollen nicht während der Krise ins Heimatland zurückkehren.

Als Langzeitsegler sind wir gewohnt uns selber zu helfen und erwarten eigentlich von «aussen» keine Hilfe. Durch die «Einschliessung» im Marina-Gelände haben wir sehr wenig Kontakt mit anderen Menschen. Gelegentlich ein kurzer Schwatz mit einem der wenigen Stegnachbarn, aber das ist dann schon alles. Etwa alle 8 – 10 Tage gehen wir zu Fuss zum Supermarkt, um Lebensmittel einzukaufen.

Landgang

Als Segler sind wir ja paradigmatisch mobil. Doch eigentlich segeln die Weltumsegler ja bloß etwa 20% der Zeit, den Rest liegen sie in Buchten rum und machen lange Spaziergänge, plaudern mit der lokalen Bevölkerung und sammeln Muscheln am Strand. Die Herausforderung ist die Bucht! Könnt Ihr noch an Land?

Wir liegen mit unserer Yacht in einer Marina und können uns so jederzeit die Füsse vertreten. Jedoch darf das Marina-Gelände nur zum Einkaufen (offiziell nur eine Person) verlassen werden. Wir gehen jeweils zu Zweit und wurden noch nie angesprochen – jedoch wissen wir von anderen Seglern, die in einer Kontrolle fast eine hohe Busse erhalten haben. Sie waren jedoch mit einem Mietwagen unterwegs und in den Autos ist immer nur EINE Person zugelassen. Aber es ging noch glimpflich aus. Mittlerweile wurden die Sanktionen verschärft und eine Übertretung würde heute (Phase 3) nun direkt mit Arrest und Geldstrafe geahndet! Wir halten uns an die Regeln, denn wir sind als Gäste in diesem Land und möchten auch keinen Eintrag im Strafregister hier…

Abgekoppelt

Seit Jahren sind wir auf wenigen Quadratmetern unterwegs. Auf wochenlangen Überfahrten quer durch die Ozeane sind wir es uns ja gewohnt, abgekoppelt in unserer kleinen Welt zu leben. Nun geht’s der Menschheit gleich wie uns. Ist es Euch manchmal langweilig?

Langeweile? Nein das kennen wir nicht… das Leben geht gemächlicher, aber das ist für uns ja nichts Neues. Auf langen Überfahrten oder auch an einsamen Ankerplätzen ist es nicht viel anders. Die Telefongesellschaften schenken uns täglich ein Datenpaket oder haben extrem billige Sonderangebote…. Also Internet pur den lieben langen Tag lang.

Natur

Wir haben ja als Segler einen ganz engen Bezug zur Natur, gelernt viel Respekt vom Meer und vom Wetter zu haben. Auch haben wir gesehen wie fragil unser Planet ist und haben auf vielen abgelegenen Inseln ganz direkt die Konsequenzen des ansteigenden Meeresspiegels gesehen. Nun so scheint es, als schlage der Planet zurück. Der Virus hat alle nach Hause geschickt. Hat sich Eure Beziehung zur Natur verändert?

Der Virus soll was ändern? Nie im Leben – alles leider nur Wunschdenken oder politisch motivierte Aussagen. Der Virus und der Lockdown werden schnell wieder vergessen sein. Aber die ganze Reise in den letzten 10 Jahren haben uns schon geprägt. Aber ob unsere diesbezügliche Weiterentwicklung vor allem nur an dem zunehmenden Alter liegt? Wir wissen es nicht. Auf jeden Fall tut es gut die Welt zu sehen, das Gesehene mit «Zuhause» zu vergleichen und darüber nachzudenken. Ausnahmslos jede Regierung ist aus der eigenen Sicht immer die Beste, hat das beste Gesundheitssystem usw. Von aussen merken wir… das ist ja nicht so alles wahr… in der Krise werden die echten Schwächen sichtbar!

Kommunikation

Früher haben Weltumsegler mit Steinschleudern Nachrichten auf Frachter geschossen, um alle paar Monate den Lieben zu Hause mitzuteilen, dass man noch nicht untergegangen sei. Wie kommuniziert Ihr?

Fast täglich rufen wir Zuhause an. Dazu benutzen wir die Internet-Telefonie. Je nach Gesprächspartner verschiedene Produkte, von WhatsApp über Messenger (Facebook) oder Skype. Letzteres auch um mittels Skype-Out Personen auf dem normalen Telefonnetz erreichen zu können. Verändert hat der Lockdown diesbezüglich nichts, denn wir nutzten diese technischen Errungenschaften ja schon lange.

Beziehungen

Niemand weiss im Moment, wie sich die Beziehungen der Menschen und der Staaten im Nachgang der Corona Virus – Krise verändern wird. Vielleicht werden Grenzen geschlossen bleiben oder gar neue gezogen – oder wir lernen wir, dass nur eine weltweite Solidarität uns rettet. Hat sich Eure Beziehung zur Wissenschaft, Politik, zu Eurem sozialen Umfeld und auch zur fernen Heimat auf Eurer Reise verändert?

Ja schon,… wir sind eher noch kritischer geworden. Hinterfragen Aussagen, die wir früher vielleicht einfach so hingenommen hätten. Der Blick von Aussen hilft dazu sehr. Gerade bei den Aussagen in der Krise von Wirtschaft und Politik. «Masken nützen nichts» – klar wenn man keine hat wird dem Volk halt eben dies erzählt… und das sind Aussagen von unserer teuren Schweiz, mit einem der angeblich besten und teuersten Gesundheitswesen… und hier im einfacheren Malaysien scheint es besser zu klappen!

Zukunft

Joseph Conrad schrieb: Dem Traum folgen und nochmals dem Traum folgen und so ununterbrochen – bis zum Ende. Doch nun sitzen wir alle fest. Ist der Traum nun zu Ende? Wie geht’s weiter?

Sowohl als auch… Verkaufen wenn es sich ergibt, aber nicht zu jedem Preis. Aber auch ein Weitersegeln ist nicht ausgeschlossen. Aber wenn wir auf dem Latrinen-weg hören, dass Australien die Grenzen bis anfangs 2021 dicht machen will – sogar zwischen den einzelnen Bundesstaaten… dann könnte die «Segelpause» noch etwas andauern.

Aber die Gegend ist nicht schlecht um das Schiff zu stationieren und wenn es nicht dieses Jahr weiter geht dann eben nächstes, oder übernächstes… wir haben keinen Termin. Doch wir sehen die Zukunft nicht so schwarz und glauben, dass sich der Sturm wieder legt. Möglich, dass es auch ein Jahr braucht bis wir wieder in der gewohnten Art und Weise als Langzeitsegler reisen können. In der momentanen Situation los zu segeln ist ja beinahe überall untersagt. Die Zeiten werden wieder besser, den Traum würden wir nicht aufgeben. Die Wogen werden sich wieder legen, ein Start muss aber wohl oder übel um ein eine Segelsaison verschoben werden.

Positiv

Was die positivste Erfahrung, das Beste welche Ihr seit dem lock down erlebt habt?

Hoppla… da müssen wir aber zuerst etwas nachdenken… Wir glauben, dass es dem Normal-Bürgern mal ganz gut tut eine Auszeit nehmen zu müssen. Aber wir wären ja schon ziemlich entspannt… das seit 10 Jahren. Eine positive, persönliche Erfahrung haben wir keine, aber auch keine negative – und das zumindest ist SEHR POSITIV!

Oder da wäre doch noch etwas… die Fauna kommt in die Zivilisation zurück. In der Marina ziehen die Warane ihre Runden und immer häufiger können wir grosse See-Otter, Hornbills und verschiedene Affenarten beobachten.

www.ulani.net

Aktuelle Position: 06°18.133’N, 099°51.005’E

 

 

 

One Comment

  1. URBANO Sonntag, der 3. Mai 2020 um 08:59 Uhr - Antworten

    Interesante, no creía que Malasia fuera tan civilizado. Espero que el mundo de la navegación abra las fronteras pronto

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