Der einjährigen Sohn versteckt sich scheu hinter seiner Mama, die in der Hängematte baumelt. Die blaue Lagune, ein palmenbestückter Sandstrand vom Allerfeinsten, dahinter das kleine Dorf in Mitten des tropischen Urwalds. In Funafara ist die Welt noch in Ordnung. Hier muss man Kinder aufziehen! Die perfekte Idylle. Die edlen Wilden. Das biblische Paradies. Mein Gott wie schön!
Direkt vor dem Haus der Familie dann, mit Baumstämmen und allerlei zufälligem Material hinkonstruiert, eine Art Schutzdamm. Der Vater erklärt: Bei Springflut steht hier alles unter Wasser. Das Paradies verabschiedet sich. Tuvalu wird überschwemmt. Seine Hütte, sein Gemüsegarten, die Kirche. Alles.
Viel dagegen ausrichten lässt sich nicht. Der Dorfvorsteher erklärt uns später, dass Japan zudem ein Projekt zur Anpflanzung von Mangroven lanciert haben. Welche das Land vom Hochwasser schützen solle. Man hofft, dass es in einigen Jahren nützen wird. Vielleicht.
Nebenan ein schon älterer Mann sein neues Haus. Ein knappen Meter über dem Boden entsteht gerade das Wichtigste: die Plattform. Alles Weitere ist Luxus. Weder Möbel noch Wände. Auf der Plattform wird geschlafen, gegessen, geliebt. Abgehoben von der Erde wegen der guten Lüftung, erklärt er. Wegen den Überschwemmungen, denken wir nun.
Seit je her hat das Meer das soziale und wirtschaftliche Leben auf Tuvalu bestimmt. Man lebt von und mit dem Meer. Gewohnt wird an der Küste – unweigerlich wenn das Land oft bloss wenige Dutzend Meter breit ist. Eine Änderung der Höhe des Meeresspiegels ist somit kein abstraktes Risiko, sondern eine direkte Bedrohung der Lebensgrundlage. Gemäss was wir hier im Atoll Funafuti gesehen haben lebt man etwa einen Meter über dem Meer (der höchster „Berg“ von Tuvalu liegt auf der Insel Niulatika und misst 4,6 Meter). Tuvalu ist somit nach den Malediven das am tiefsten liegende Land der Welt.
Nach einer Überflutung ist es zudem nicht einfach wieder wie zuvor. Die wiederkehrenden Überschwemmungen führen zur allmählichen Versalzung der Böden. Was das noch spärlich vorhandene Grundwasser zerstört, das Anpflanzen von Gemüse erschwert, und den Ertrag von tropischen Früchten vermindert. Vom Fisch alleine lebt man nicht.
Im Moment sind es die ausserordentlichen Naturphänomene wie Stürme und Springfluten, welche das Land bedrohen. Die King Tide vom 19. Februar 2015 mass 3.4m und hat ganz Funafuti überschwemmt. ¹ Doch auch der reguläre Meeresspiegel wird in Tuvalu weiter ansteigen. Die Wissenschaft spricht von 5cm pro Jahr ², falls wir das 1,5 Grad Erderwärmungsziel von Paris einhalten . Doch selbst dann wird die Wahrscheinlichkeit von Extremereignisses wie Stürme, Trockenperioden und King Tides zunehmen.
Zumindest solange Donald Trump weiter dem Klimaschutz absagt und wir alle die Welt versauen, werden die Schutzmauern und Mangroven unserem Sohn der Familie in Funafara in Zukunft bloss wenig nutzten. Vielleicht wird auch er mal nach Auckland / New Zealand flüchten müssen, da wo schon viele Tuvalunesen leben.
¹ Tuvalu Meteorological Service
² Pacific Climate Change Science Program; Australian Government; 2011
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