„Meine Stadt ist durchtränkt vom Mittelmeer. Der Duft des Meeres salbt seine Steine, die Gittern, die Stoffe, die Bücher, die Hände, die Haare. Und der Himmel und die Sonne über dem Meer verherrlichen die Dächer, die Türme, die Mauern, die Bäume. Und da wo das Meer nicht zu sehen ist, spürt man den Sieg des Lichtes in der Luft, leuchtend wie ein wertvoller Stoff.“ (Gabriel Miró)
Nach Benidorm, Stadt der Touristen, ist nun doch wieder das fröhliche Seglerleben angesagt. Eine angenehme Tagesfahrt bringt uns nach Alicante. Die Stadt der Segler, wie wir bald auf verschiedenen Ebenen merken.
Nicht nur der freundliche Empfang im „Real Club de Regatas de Alicante“, der seit über hundert Jahren direkt vor der Altstadt seine Installationen hat. Hier liegt unsere TUVALU sicher. Und im Club-Restaurant offerieren aufmerksame Kellner exzellente und preisgünstige Menus. Was will der durch die See gehärtete, müde Segler noch mehr?
Alicante ist auch Start und Ziel der Weltumseglungs- Regatta Volvo Ocean Race, mit Start am 14. Oktober 2011. Viel zu sehen davon ist allerdings noch nichts. Wie auch immer; so schnell mögen wir es eh nicht, aber nett am selben Ort zu sein ist es trotzdem. Irgendwann werden diese Rennyachten dann wohl an uns vorbei flitzen.
Ebenso langsamer hat dasselbe Cocou hinter sich gebracht. Ihnen kennen wir schon länger, nur er nicht uns. Diesen Sommer haben wir sein gut (auf spanisch) geschriebenes Buch „Un paseo por el mundo“ gelesen (download). In vier Jahren ist er teilweise einhand um die Welt gesegelt. Neben vielem Nützlichem finden wir in Seglerbüchern wie diesem vor allem Inspiration. Sie geben uns Mut: Ja, können wir doch auch!
Und tatsächlich, ein paar Meter neben uns liegt Cocou’s ARCHIBALD. Ein gemeinsames Mittagessen mit Fortsetzung bei Rum und Schoggi bis in den späten Abend auf der TUVALU lässt uns Cocou auch ganz real kennenlernen. Wir geniessen die Begegnung und saugen wissbegierig die Erfahrungen dieses exzellenten Weltumseglers auf. Gleich wie vor einem Jahr als wir die in die Griechenland Bekanntschaft mit der ebenfalls spanischen Crew der OCEANO VI machten (welche in San Blas auch Cocou trafen). Wir sind beeindruckt, wie hilfsbereit diese erfahrenen Segler sind.
Wir lassen die TUVALU für eine Woche in Alicante und reisen per Zug zurück nach Katalonien. Etwas Arbeit, aber vor allem Familienbesuche sind angesagt. Tochter Alba arbeitet in Barcelona und versucht sich im selbstständigen Leben zurecht zu finden. Der soeben geborene Quim, der 3. Sohn von Imma’s Nichte Miriam, wird willkommen geheissen. Joaquim und Conchita, die lieben Eltern Immas, die uns zuhause aufnehmen. Vater Joaquim ist trotz Krankheit erfreulich munter – gestandene Kapitäne wie er lassen sich nicht so leicht runterkriegen! Und natürlich auch Immas Bruder Quim und seine andalusische Frau Maria (inklusive unser ex-crew-Mitglied und Nichte „Pirat“ Lucia). Segeln ist schön, aber die Familie zu spüren ebenso!
Zurück in Alicante fühlen wir uns sofort wieder wohl in dieser Stadt. Sie ist durchtränkt vom Mittelmeer, wie die einleitende Poesie so schön sagt. Wir besuchen die exzellente aktuelle Architektur, aber auch die historischen Monumente wie die über der Stadt thronende Burg. Wir hören auch vom revolutionären Geist seiner Einwohner. Schliesslich haben sie hier am 20.11.1936 den ersten faschistischen Führer Spaniens und Chef der Falange, José Antonio Primo de Rivera, exekutiert. Was für eine gute Tat! Viel genützt hat das alles aber doch wieder nichts. Immerhin; Alicante fällt als allerletzte republikanische Stadt im spanischen Bürgekrieg. Am 1. April 1939 – leider kein Scherz – marschieren die Truppen Francos ein, der Krieg ist zu Ende und 40 lange düstere Jahre stehen an. Aber, wir sind ja nun weder Touristen, noch Architekten, noch Historiker. Sondern offenbar angehende Weltumsegler. So stechen wir wieder in die See. Der Wind ist günstig – 4 – 5 Beaufort aus Ost. Mit einem Zwischenhalten mit nächtlicher Einfahrt ins Mar Menor und ein Tag später in Aguilas (mit seinem beeindruckenden neuen Auditorium) rauschen wir Richtung Süden. Cabo de Gato, das letzte Kap Richtung Gibraltar ruft!
Hmm… Duft des Mittelmeers? Ich erinnere mich an eine Nacht in einem Altstadthotel in Alicante. Gegen zwölf kroch ein unerträglicher Geruch aus den Abflüssen im Bad: faule Eier. Ich war schwanger. Uiii… „Es la marea“, sagte der Rezeptionist, und dagegen könne er nichts tun. Ja, me marea, dachte ich, und dagegen kann ich nichts tun. Morgens um eins wechselten wir das Hotel. Schade, das erste war eigentlich schöner.
Das ist nun eben der Vorteil, wenn man ein Schiffchen hat. Wenn’s zu stark duftet, dann fahren wir einfach weiter.
Aber Ihr Niederländer habt da ja auch eine nette Lösung. Ihr schüttet einfach wieder etwas Land auf, und schon ist la marea, Geruch und Meer weg.
Hans