Mark Aurel, römischer Kaiser, Philosoph und Stoiker, schrieb: „Auf dem Land, an der Küste und in den Bergen sucht man Rückzugsorte. Oft sehnst Du Dich nach solchen Refugien. Doch wie einschränkend ist doch dieser Wunsch, denn wenn du willst, kannst Du Dich in Dich selbst zurückziehen“
Einiges hat sich nun bewegt. Der Virus, das Wissen, die Polemik, die Vorschriften. Und auch einige der Weltumsegler in Quarantäne. Vor zwei Monaten haben wir sechs von ihnen zum Dialog eingeladen. Nun haben wir nachgefragt wie es ihnen inzwischen ergangen ist:
Seid Ihr noch am selben Ort? War das Verbleiben genau das richtige oder was hat Eure Weiterreise veranlasst? Hat sich Eure kritische Sicht auf die Welt in Krise und Eure eigene Befindlichkeit inzwischen verändert? Habt Ihr eine konkrete Vorstellung wie es mit Euern Segelplänen weitergehen soll?
ALDIVI
Nachdem wir 3 Monate auf die Öffnung eines Hafens im Mittelmeer gewartet haben, beschlossen wir nach Suez zu segeln. Alles schien darauf hinzudeuten, dass wir bald günstige Nachrichten erhalten würden. Zudem eröffnete sich ein kleines Wetterfenster, das uns erlauben würde unter besseren Bedingungen durch Kanal navigieren zu können. Einmal entschieden, segelten wir nach Suez, auch wenn die Bedingungen dann doch nicht so optimal wie erwartet waren… viel Motor und raue See von vorne.
In Suez hatten sich von der ersten Minute an die Gerüchte über Korruption und fehlende Empathie bestätigt. Das einzige, was sie interessierte, war uns so viel Geld wie möglich aus der Tasche zu ziehen. Wir hatten bereits von diesem Thema gehört, so dass wir gut versorgt nur wenige Einkäufe tätigten mussten und schnellstmöglich den Ort wieder verlassen konnten. Immer mit einem guten Herzen und großzügiger Hilfe verkleidet, sind sie Meister in der Kunst der Täuschung. Es ist traurig sehen, wie sie alles ausnutzen wollen… Nach zwei Tagen haben wir Suez hinter uns gelassen und haben es geschafft, keine allzu leichte Beute für sie zu sein …
Im Moment sind wir in Marmaris, Türkei, einem wunderbaren Ort, der uns herzlichst willkommen geheißen hat. Wir konnten viele Reparaturen und Wartungsarbeiten an ALDIVI durchführen und haben die großartige türkische Gastfreundschaft genossen. Wir sind sehr glücklich und genießen den Moment. Die Idee ist, weiter nach Griechenland und dann nach Kroatien zu segeln.
Die Entscheidung, die ganze Zeit (des lockdowns) in Soma Bay, Ägypten, zu bleiben, war das Beste, was wir tun konnten. Wir trafen wundervolle Menschen, die wirklich helfen wollten und uns mit absoluter Großzügigkeit und brüderlicher Liebe behandelten. Wir haben diese Entscheidung wirklich nicht bereut. Die Covid 19 – Krise hat uns auch klar gemacht, wie verletzlich die Menschheit ist, und dass Angst die mächtigste Waffe zur Kontrolle unserer Spezies ist …
Wir haben keine konkreten Pläne für die Zukunft, wir würden aber gerne bald nach Griechenland und Kroatien segeln, und denken daran unser Segelprojekt um mindestens ein weiteres Jahr zu verlängern. Die Situation in unserem eigenen Land ist sehr ungewiss und heikel. Diese Krise zeigt viele Unzulänglichkeiten in den verschiedenen Regionen der Welt auf. In Lateinamerika und auch in unserem Mexiko erlebt man eine schreckliche Fase, verschiedene Faktoren überlagern sich und es scheint, dass sich der perfekte Sturm zwischen Pandemie, Unsicherheit, schlechten Regierungen und einer gespaltenen Gesellschaft bildet hat. Wir als Nation befinden uns in einer schwierigen Zeit. Doch ich verliere nicht die Hoffnung und denke, dass wir in Mexiko trotz allem wieder den richtigen Weg finden wird, so wie wir es immer getan haben! Verlieren wir nicht den Mut!
JAKKER
Wir (JAKKER und Crew) sind noch immer am selben Ort, in Neukaledonien. Wir können uns hier frei bewegen und hinsegeln, wohin wir wollen – solange wir in der Lagune bleiben und nicht zu Inseln in andren Ländern segeln.
Hier zu bleiben war das Richtige für uns. In Neukaledonien starb niemand an Covid-19. Sie hatten nur 21 positive Fälle, denen es jetzt allen gut geht, auch wenn noch immer einige wenige in Quarantäne sind. Wären wir nach Belgien geflogen (falls dies möglich gewesen wäre), wären es weitaus gefährlicher gewesen vom Virus angesteckt zu werden. In Belgien starben fast 10.000 Menschen, insbesondere ältere Menschen wie wir. Bis heute haben sie jeden Tag neue Covid-19-Fälle. In Neukaledonien geht es uns somit weitaus besser.
Wir müssen die Welt so akzeptieren, wie sie jetzt ist. Eine Welt, in der Länder für Besucher geschlossen sind. Eine Welt, in der alle Besucher ausnahmslos als gefährlich behandelt werden. Dies ist die traurige Wahrheit. Es scheint uns, dass die Art und Weise, wie diese Krise in vielen Ländern behandelt wird, inkompetent war und ist. Viele Führungskräfte haben die Auswirkungen des Virus unterschätzt. Wir werden uns wahrscheinlich noch viele Jahre mit den Konsequenzen auseinandersetzen müssen. Hoffen wir, dass bald ein wirksamer Impfstoff hergestellt wird.
In der Zwischenzeit haben wir keine konkrete Vorstellung davon, wie unsere Segelpläne weitergehen werden. Wir haben jedoch diverse Möglichkeiten: Wir könnten versuchen, ein weiteres Jahr in Neukaledonien zu bleiben, doch dazu brauchen wir eine Bewilligung des Zolls (weil die Yacht dann länger als 18 Monate im Land verweilt). Bis Oktober / November könnten wir auch noch zu einem anderen Land segeln, falls sie uns erlauben, dort einzuklarieren (zb. Australien, Salomon islands). Falls nicht, müssen wir spätestens ab November für die Zyklon Saison 2020-21 wiederum in Neukaledonien bleiben, da man dann besser nicht im Pazifik segeln sollte.
GANESH
Von GANESH gibt es einige Neuigkeiten. Da es uns langweilig wurde, drei Monate lang auf derselben Insel zu bleiben und immer noch nicht frei in den Gewässern der Philippinen segeln zu dürfen, und gleichzeitig die Taifun- und Regenzeit begann, haben wir hart an einem „Go Home Plan“ gearbeitet, um für die Sommersaison zu Hause in der Provence verweilen zu können.
Also bekamen wir schließlich einen speziellen Reisepass, um nach Norden in die Subic Bay im Nordwesten von Manila zu segeln, wo eine Werft GANESH akzeptierte. Wir bereiten derzeit das Boot vor und beenden unsere 2. Quarantäne (wenn man auf den Philippinen von einer Provinz in die andere segelt, unterliegt einer 14-tägigen Quarantäne, abzüglich der Anzahl der Reisetage) und sollten nächsten Freitag dort ankommen. Wir haben auch ein Flugticket für den nächsten Sonntagabend bei Qatar Airways gefunden. Also drücken wir die Daumen.
PD. GANESH steht inzwischen an Land, Corrine & Michel sind in der Provence, Frankreich angekommen
ULANI
Die ULANI und auch ihre Crew ist noch immer exakt am gleichen Ort; in der Marina auf Langkawi (Malaysia). Der Lockdown dauert hier noch immer an, auch wenn die Einschränkungen nun schon erheblich gelockert wurden. Innerhalb des Landes darf man sich wieder frei bewegen, jedoch gelten noch immer Abstandsregeln und Hygienevorschriften. Fiebermessen und Maskentragepflicht in fast allen öffentlichen Gebäuden.
Hier zu bleiben war für uns der richtige Entscheid. Wir planten sowieso etwas länger in der Region zu verweilen und unsere Reise frühestens in einem Jahr fortzusetzen. Nun werden wir vermutlich noch ein weiteres Jahr hier anhängen, denn eilig haben wir es nicht.
Von einer eigentlichen Veränderung unserer Ansichten kann man nicht sprechen. Im Wesentlichen denken und fühlen wir gleich wie vor und während der Krise. Da wir den europäischen Sommer in der Schweiz und in Italien verbringen, sind unsere Bedenken nun mehr von der Flugreise geprägt. Überfüllte Sitzreihen und Menschenmassen wollen wir noch immer meiden. Ob das auf der Rückreise möglich ist, ist noch weitgehend unklar.
Die kommende Segelsaison hier in Südostasien beginnt im November 2020 und endet, je nach Region, etwa im April 2021. Diese werden wir hier auf unserer ULANI verbringen und mit ihr das Segelgebiet nochmals ausgiebig erkunden und geniessen. Danach folgt nochmals ein Heimaturlaub und Ende 2021 werden wir entscheiden ob und wohin uns der Wind weht.
PD. Sandra und Phillipe sind inzwischen in die Schweiz geflogen und besten in Rapperswil angekommen.
RUBICON
Wir sind immer noch in La Réunion, eine wunderschöne Insel und wir genießen es, hier zu bleiben. Dies war an sich unser ursprünglicher Plan, auch wenn wir nicht schon so früh hier sein wollten. Jetzt warten wir und hoffen, dass Südafrika die Grenzen öffnet, damit wir dort auf unserem Weg nach Schweden Halt machen können. Beim Segeln dreht sich alles um das Planen und Ändern von Plänen. Corona hat dies sehr deutlich gemacht. Unsere eigene Einstellung hat sich nicht sehr verändert, uns scheint das politische leadership peinlich schlecht!
PD. RUBICON ist in einem knöchelharten Trip von den Malediven nach La Réunion gesegelt. Nachzulesen in ihrem Blog: syrubicon.wordpress.com
THOR
Während den fast zwei Monaten vor Anker in Soma Bay, Ägypten, habe ich mich regelmäßig über die Situation in den verschiedenen Mittelmeerländern informiert. Erst als vor kurzem Griechenland und die Türkei ihre Gewässer ohne Einschränkungen geöffnet haben, beschlossen sowohl THOR als auch ALDIVI den Suezkanal zu durchqueren. Ich wusste von anderen Segelbooten, dass sowohl in Suez als auch in Ismailía die Bedingungen unangenehm und die Preise missbräuchlich waren. Also ging es darum, für möglichst kurze Zeit an diesen Orten zu verweilen, strikt jene die für die Durchführung der Bewilligungsverfahren der Kanalbehörde notwendig war.
Bis dahin habe ich einen unglaublichen Ort genossen, Soma Bay: kristallklares Wasser, wunderschöne Korallenriffe, eine verlassene Insel aus weißem Sand, die es uns ermöglicht hat, den Landgang in vollen Zügen zu genießen. Dank der Hilfe der Menschen vor Ort hat es uns nicht an Vorräten gefehlt, und wir haben dort Menschen getroffen, die sicher lebenslange Freunde bleiben werden.
Das allenfalls negative am Ort war der starke Nordwind, der in diesem Gebiet oft weht und sich dann und wann in Sandstürme verwandelt. Doch es gilt dies als Zeichen der Natur einfach zu akzeptieren und sie so als beeindruckendes Schauspiel zu genießen. Nichts ist ewig und wenn alles durch ist, wäscht man das Schiff mit Wasser ab um den Sand zu entfernen. Die Tage der Sandstürme verbrachte ich mit nachzudenken, lesen, schreiben, zukünftige Routen zu planen. Natürlich gab es auch viele Treffen bei ALDIVI, die immer aufregend sind. Und wenn der Sturm vorüber ist, sich drei oder vier Tagen Ruhe einstellt bevor es wieder los geht, genießt man diese umso mehr. Die Schlussfolgerung ist, dass unsere Entscheidung (ALDIVI und THOR) die richtige war. Unsere lock down war ein Luxus und eine weitere gute Erfahrung in dieser großartigen Reise um die Welt. Nun bin ich schon seit ein paar Tagen in Marmaris, Türkei. THOR ist sandfrei und es gibt hier keine anderen Einschränkungen als das Tragen der Maske an Land.
Aus der Perspektive, die mir die Distanz gibt, sehe ich eine chaotische, manchmal hysterische Welt, die wirklich wenig auf außerordentliche Ereignisse wie dieses vorbereitet war. Wie in jeder Schocksituation, die uns als Menschen erschüttert, wurde unsere Stimmung hochgewiegelt und die Positionen in der Gesellschaft polarisiert. Einerseits ist da die Mittelmäßigkeit, die egoistischen Interessen und Dummheiten eines Teils der Weltbevölkerung welche wohl in deren persönlichen Angst und Unsicherheit verwurzelt ist, viele von ihnen sind in der Politik und an der Macht. Angst vor dem Teilen, Angst vor dem Verlust der Position, Angst vor dem Verlust materieller Güter, Angst vor Menschen,… letztendlich Angst vor dem Leben. Für mich repräsentieren sie die am wenigsten entwickelten Menschen.
Andererseits die Forderung nach Solidarität und Erneuerung eines großen Teils der Bevölkerung mit einer reiferen Mentalität, die diese große Ohrfeige als Gelegenheit nutzen möchte, Dinge zu ändern und zu überdenken. Also Reflexionen über unser Leben im absurden Megakonsum, regiert von einem rücksichtslosen, egoistischen und ungeheuerlichen Kapitalismus und darüber was unsere Rolle in der Gesellschaft sein sollte. Eine hoffnungsvolle, optimistische Haltung. Wir werden sehen, ob sie zu etwas führt oder nur bei Erklärung von guten Absichten stehen bleibt, und schnell wieder zur Rückkehr in die Routine verblast. In jedem Fall ist dieses Potenzial vorhanden, und wenn es sich jetzt nicht weiterentwickelt, wird es früher oder später aufblühen. Der Samen sind gepflanzt.
Ich werde meine Weltreise Ende August in Port Ginesta, Barcelona, beenden. Derzeit habe ich vor, mit meinen Freunden von ALDIVI etwa 15 Tage lang durch die Türkei zu segeln und dann den Sommer in meinem geliebten Mittelmeer via Griechenland, Sizilien, Sardinien und Menorca zu genießen. Italien hat bereits seine Gewässer geöffnet, so dass es im Prinzip keine Probleme geben sollte.
Magnífico resumen, me alegro que todos estén bien, a pesar de todo, seguimos navegando
Fascinada con los relatos , anécdotas y análisis social en este espacio . Los seguiré con dedicación !