#5 draussen im nichts: JAKKER

2020-05-06T07:03:21+00:00 6 Mai, 2020|# in the middle of nowhere, 2020|

Dialog mit Weltumsegler in Quarantäne: Das belgische Paar Jaklien & Tony Erens-Jeurissen startete 2010 in Holland zu ihrer Weltumseglung und ist nun via Atlantik, Karibik, Pazifik in Neu Kaledonien angekommen. Ihre Yacht heisst JAKKER, eine Jeanneau Sun Odyssey 42.2 mit einem 13m langen Rumpf aus Fiberglas. In Maupelia in Französisch Polynesien haben wir zum ersten mal gemeinsam Krebse gegessen, seit dann versucht uns Toni beizubringen, dass Fliegen schöner sei als Segeln.

Wir haben allen am Dialog teilnehmenden Segler dieselben Fragen gestellt. Um Euch nicht zu langweilen, geben wir aber ab #2 bloss noch eine Kurzversion der Fragen wieder.

Location

Ein Sprichwort sagt: Frag nie einen Segler wohin er als nächstes hinsegelt! Als Segler sind wir uns ja gewohnt, dass sich unsere Pläne plötzlich ändern. Sei es, weil das Wetter kehrt, wir technische Probleme haben oder was auch immer. Wo seit Ihr?

JAKKER und seine Crew sind seit November 2019 in Neu Kaledonien. Während dem lock down (welcher teilweise am 20. April endete) blieben wir in Marina Port Moselle. Da wir bis zum 1. Mai einen Mietvertrag für einen Liegeplatz während der Zyklon Saison am Besucherdock haben, war dies kein Problem. Zu Beginn des lock down (23. März) mussten alle Yachten die Lagune verlassen (auf Geheiss der Gendarmerie).

Anfangs waren wir ein bisschen frustriert, nicht mehr „frei“ zu sein, aber wir haben das Beste aus der Situation gemacht. Als Segler sind wir es gewohnt, unsere Pläne aus allen möglichen Gründen zu ändern. Ich hätte jedoch nie geahnt, dass ein Virus diese unglaubliche Wirkung haben würde. Wir haben viele „Bootsprojekte“ gemacht. Tony hat den Motor gewartet, wir haben sogar den Motor lackiert. Wir haben viele Holzteile in Jakker lackiert, usw. usw. Wir haben versucht, jeden Tag gute Mahlzeiten zuzubereiten, viel zu lesen und dank des guten Internets im Yachthafen konnten wir „Netflix“ (ein Geschenk unserer Tochter) sehen und haben die Serie „La Casa de Papel“ genossen.

Bürokratie

Meist haben wir das Ein- und Ausklarieren ja problemlos überstanden. Oft haben diese Geschichten uns jedoch Stoff für endlose Anekdoten geliefert. Wie reagieren die Autoritäten?

Da wir europäische Staatsbürger in Neukaledonien (Frankreich) sind, haben wir keinerlei Probleme mit der Einwanderungsbehörde. Wir können so lange hierbleiben, wie wir wollen. Wir gelten als „einer von ihnen“. Wir müssen uns also nicht an unsere Botschaft wenden.

Wir möchten zu einem Besuch nach Hause fliegen (Familie und Freunde), aber nur, wenn das ganze Corona-Chaos vorbei ist. In Neukaledonien haben wir mehr Kontakt zu den Kanaks (der ursprünglichen Bevölkerung), an Orten wie dem Markt, nachdem die Sperrung gelockert wurde und es weniger Touristen gibt.

Landgang

Als Segler sind wir ja paradigmatisch mobil. Doch eigentlich segeln die Weltumsegler ja bloß etwa 20% der Zeit, den Rest liegen sie in Buchten rum und machen lange Spaziergänge, plaudern mit der lokalen Bevölkerung und sammeln Muscheln am Strand. Die Herausforderung ist die Bucht! Könnt Ihr noch an Land?

Während des lock downs durften wir nur für notwendige Einkäufe, oder für einen Spaziergang von maximal 1 Stunde in 1 km Entfernung von zu Hause an Land gehen (um Sport zu machen oder den Hund rauszulassen). Zu jeder Zeit mussten wir eine Selbstdeklaration zur Hand haben, die gedruckt und ausgefüllt wurde mit: unserem Namen, dem Grund unseres Aufenthalts draußen, dem Datum, der Zeit, zu der wir unser Zuhause verlassen haben. Wir mussten einen Abstand von 1,5 m zu anderen Personen einhalten. Keine Versammlungen von Menschen. Die Geldstrafe für Verstöße gegen die Regeln: 850 € (eine erste Strafe), das zweite Mal 1.700 € und ein drittes Mal 3.400 € !!!

Abgekoppelt

Seit Jahren sind wir auf wenigen Quadratmetern unterwegs. Auf wochenlangen Überfahrten quer durch die Ozeane sind wir es uns ja gewohnt, abgekoppelt in unserer kleinen Welt zu leben. Nun geht’s der Menschheit gleich wie uns. Ist es Euch manchmal langweilig?

An unserem mentalen Zustand hat sich seit dem lock down nicht viel geändert. Wir sind es uns gewohnt, uns an alle möglichen Situationen anzupassen. Dies ist nur eine weitere Herausforderung. Wir sind es uns auch gewöhnt lange zu zweit ohne andere Kontakte auf dem Boot zu sein. Unser Tagesablauf blieb bis auf den Einkauf (jetzt alle zwei Wochen) weitgehend gleich.

Nein, wir langweilen uns nie. Es gibt viel zu tun: Bootsprojekte, Arbeiten an Fotokarten und Videos für unsere Website, Süchtig nach YouTube, weil wir in der Marina ein gutes Internet haben.

Natur

Wir haben ja als Segler einen ganz engen Bezug zur Natur, gelernt viel Respekt vom Meer und vom Wetter zu haben. Auch haben wir gesehen wie fragil unser Planet ist und haben auf vielen abgelegenen Inseln ganz direkt die Konsequenzen des ansteigenden Meeresspiegels gesehen. Nun so scheint es, als schlage der Planet zurück. Der Virus hat alle nach Hause geschickt. Hat sich Eure Beziehung zur Natur verändert?

Auf dem Boot leben wir eng mit der Natur und unserer Umwelt zusammen. Seit wir losgesegelt sind, fangen wir das Regenwasser auf, beziehen unsere Energie aus Sonnenkollektoren, nutzen den Wind, um uns von einem Punkt zum anderen zu bewegen, und versuchen, unseren Abfall zu begrenzen. Das ist unser kleiner Beitrag. Aber die Welt braucht einen gigantischen Rettungsplan, sonst schaffen wir es nicht. Wenn wir die fast versunkenen Inseln Tuvalu und Kiribati sehen, den Müllhaufen an den Stränden, läuft uns die Zeit davon.

Kommunikation

Früher haben Weltumsegler mit Steinschleudern Nachrichten auf Frachter geschossen, um alle paar Monate den Lieben zu Hause mitzuteilen, dass man noch nicht untergegangen sei. Wie kommuniziert Ihr?

Mit den geliebten Menschen zu Hause kommunizieren wir über WhatsApp. Wir unterhalten uns viel und manchmal bleibt Zeit für ein Videochat mit den Enkelkindern. Wir senden und erhalten auch E-Mails von Kindern, anderen Yachties und Familienmitgliedern. Wenn es mit WLAN nicht funktioniert, verwenden wir Winlink über SSB. Wir versuchen, Weltnachrichten über das reguläre Radio in Nouméa und über Zeitungen im Internet zu empfangen.

Natürlich vermissen wir soziale Kontakte, aber seit der Sperrung gibt es in Port Moselle ein neues Phänomen. Tagsüber ist es sehr ruhig, keine Seele da draußen. Aber gegen 17 Uhr Leute kommen auf dem Dock „raus“. Sie beginnen ihren täglichen „Spaziergang“. Sie halten an und unterhalten sich über die 1,5 m soziale Distanz. Wir haben neue „Corona“ -Freunde gefunden. Ein Straßenmusiker spielt auf dem Parkplatz Gitarre, um die Leute im Gebäude gegenüber und die Leute, die abends spazieren gehen, zu unterhalten. Er singt eine Viertelstunde um den lock down erträglicher zu machen.

Beziehungen

Niemand weiss im Moment, wie sich die Beziehungen der Menschen und der Staaten im Nachgang der Corona Virus – Krise verändern wird. Vielleicht werden Grenzen geschlossen bleiben oder gar neue gezogen – oder wir lernen wir, dass nur eine weltweite Solidarität uns rettet. Hat sich Eure Beziehung zur Wissenschaft, Politik, zu Eurem sozialen Umfeld und auch zur fernen Heimat auf Eurer Reise verändert?

Auf unserer Reise haben wir den großen Unterschied zwischen der westlichen Welt und den sogenannten Entwicklungsländern erlebt. Arme Inseln, ja, aber die Leute sind glücklich, freundlich, offen, interessiert. Jetzt sind diese kleinen Länder auch Opfer der Pandemie und der westlichen Lebensweise. Hoffen wir, dass Politiker und Wissenschaftler sowie die globale Solidarität uns retten können. Wir glauben immer noch an unsere Welt. Wir befürchten, dass wir uns in unserem Heimatland nicht wieder an dieses hektische Leben gewöhnen können, obwohl wir wissen, dass das Leben in Belgien seine Vorteile hat.

Zukunft

Joseph Conrad schrieb: Dem Traum folgen und nochmals dem Traum folgen und so ununterbrochen – bis zum Ende. Doch nun sitzen wir alle fest. Ist der Traum nun zu Ende? Wie geht’s weiter?

Wir werden unsere endlose Reise noch nicht aufgeben. Obwohl es dieses Jahr vielleicht ein bisschen anders sein wird. Wir müssen vielleicht noch ein bisschen länger sitzen bleiben. Die Grenzen werden sich irgendwann öffnen. Dann hoffen wir, weitermachen zu können. Zu denen, die gehen wollen, würden wir sagen: «Gebt niemals deinen Traum auf!!! Obwohl Ihr ihn möglicherweise verschieben müsst.»

Positiv

Was die positivste Erfahrung, das Beste welche Ihr seit dem lock down erlebt habt?

Wir glauben, wir haben Glück, gefangen auf einer wunderschönen Insel ohne Massentourismus und ohne Kreuzfahrtschiffe. Das ist für uns der positivste Effekt dieser Krise. Die Dugongs, Schildkröten und Fische sind glücklich in dieser ruhigen Welt.

www.jakker.be

@jacqueline.jeurissen.5

Aktuelle Position: 22°16,643 S, 166°26,418 E , Port Moselle Nouméa, New Caledonia

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