Dialog mit Weltumsegler in Quarantäne: Das französische Paar Corinne Gau Tchekov und Michel Gau ist schon auf deren zweiten Weltumsegelung, seit 1989 sind sie am Segeln. Gestartet dieses Mal 2010 in Frankreich, sind sie nun via Atlantik, Karibik, Pazifik, Indonesien, Thailand, Borneo in den Philippinen angekommen. Ihr Boot heisst GANESH, eine Alliage 49 mit einem 15m lange Aluminium – Rumpf mit centerboard. Seit unserer ersten Weihnachtsfeier in Providencia, Kolumbien, singen wir gemeinsam an abgelegenen Orten.
Wir haben allen am Dialog teilnehmenden Segler dieselben Fragen gestellt. Um Euch nicht zu langweilen, geben wir aber ab #2 bloss noch eine Kurzversion der Fragen wieder.
Location
Ein Sprichwort sagt: Frag nie einen Segler wohin er als nächstes hinsegelt! Als Segler sind wir uns ja gewohnt, dass sich unsere Pläne plötzlich ändern. Sei es, weil das Wetter kehrt, wir technische Probleme haben oder was auch immer. Wo seit Ihr?
Die GANESH befindet sich in Pearl Bay, Insel Busuanga, Provinz Coron Palawan, Philippinen. Wir sind in einer hübschen Bucht mit einem geschützten Ankerplatz in Quarantäne. Solange wir uns an den Alltag halten, können wir uns nicht beschweren. Natürlich ist es frustrierend, nach einem Monat am selben Ort nicht zu anderen, einsamen Ankerplätzen in dieser wunderschönen Gegend ziehen zu dürfen. Das Schwierigste ist, keinen Plan für die Zukunft machen zu können. In unserer westlichen Kultur ist es schwierig, nur den gegenwärtigen Moment zu leben. Wir versuchen darüber nachzudenken, wie unsere polynesischen Freunde lebten, aber es ist nicht einfach, auf uns selbst „Aïte Pea Pea“ anzuwenden …
Bürokratie
Meist haben wir das Ein- und Ausklarieren ja problemlos überstanden. Oft haben diese Geschichten uns jedoch Stoff für endlose Anekdoten geliefert. Wie reagieren die Autoritäten?
Bisher haben wir kein Problem mit der Einwanderungsbehörde, da wir unser Visum vor dem lock down um 6 Monate verlängert hatten. Bei der Ankunft in Pearl Bay, wenige Tage nach dem lock down, war der Kontakt mit Küstenwachen und Gesundheitsbeamten höflich und professionell. Unsere Temperatur wurde überprüft, da hier keine Covid 19 – Tests verfügbar sind haben wir 14 Tage lang ein Überwachungsblatt ausgefüllt. Dieses brachte ich dann zum Gesundheitsamt des nächsten Dorfes und erhielt von einer sehr hilfsbereiten Krankenschwester einen Quarantäneausweis. Mit diesem Pass kann sich eine Person pro Boot zu bestimmten kommerziellen Zeiten bewegen, sofern wir eine Schutzmaske tragen. Wir haben andere Kontakte mit der lokalen Bevölkerung, hauptsächlich lebensmittelorientiert: Eine sehr nette Gärtnerin liefert jede Woche Obst, Gemüse, Hühnchen oder Schwein von ihrer Farm, lokale Restaurants haben ihr Geschäft zum Mitnehmen für Yachties gemacht, da wir die einzigen verbliebenen Touristen in der Region sind Insel.
Landgang
Als Segler sind wir ja paradigmatisch mobil. Doch eigentlich segeln die Weltumsegler ja bloß etwa 20% der Zeit, den Rest liegen sie in Buchten rum und machen lange Spaziergänge, plaudern mit der lokalen Bevölkerung und sammeln Muscheln am Strand. Die Herausforderung ist die Bucht! Könnt Ihr noch an Land?
Wir dürfen zwischen morgens 6 und 10 Uhr und nachmittags zwischen 4 und 8 Uhr an Land gehen. Einige private Wege, Strände und Aussichtspunkte werden uns von lokalen Eigentümern zur Verfügung gestellt, um unsere Beine zu vertreten. Wir können in der Gegend schwimmen und schnorcheln. Da wir uns in einer abgelegenen Gegend befinden, kann ich anderen Yachties ohne Probleme beim Kajakfahren, Paddeln und Kitesurfen zusehen …
Abgekoppelt
Seit Jahren sind wir auf wenigen Quadratmetern unterwegs. Auf wochenlangen Überfahrten quer durch die Ozeane sind wir es uns ja gewohnt, abgekoppelt in unserer kleinen Welt zu leben. Nun geht’s der Menschheit gleich wie uns. Ist es Euch manchmal langweilig?
Wir versuchen, einen Tagesablauf zu halten, morgens um 6:30 Uhr Yoga zu machen, zu schwimmen, zu frühstücken, zu lesen, einzukaufen, zu schreiben usw. Tatsächlich habe ich immer noch nicht genug Zeit, um all das zu tun, was ich tun möchte… Aber natürlich haben wir manchmal auch unsere Höhen und Tiefen…
Natur
Wir haben ja als Segler einen ganz engen Bezug zur Natur, gelernt viel Respekt vom Meer und vom Wetter zu haben. Auch haben wir gesehen wie fragil unser Planet ist und haben auf vielen abgelegenen Inseln ganz direkt die Konsequenzen des ansteigenden Meeresspiegels gesehen. Nun so scheint es, als schlage der Planet zurück. Der Virus hat alle nach Hause geschickt. Hat sich Eure Beziehung zur Natur verändert?
Nein, sie hat sich nicht geändert, denn wie viele Segler leben wir bereits ziemlich nah an der Natur.
Kommunikation
Früher haben Weltumsegler mit Steinschleudern Nachrichten auf Frachter geschossen, um alle paar Monate den Lieben zu Hause mitzuteilen, dass man noch nicht untergegangen sei. Wie kommuniziert Ihr?
Ja, in Südostasien haben wir ein sehr gutes und billiges 4G-Netzwerk und kommunizieren regelmäßig mit WhatsApp, Facebook, Mails und Messenger. Tatsächlich kommunizieren wir jetzt mehr als vor dem lock down. Manchmal habe ich das Gefühl, dass wir zu viel Zeit in sozialen Netzwerken verbringen, insbesondere mit allen Navigations- Facebook -Gruppen. Das Schwierigkeit ist zu bemerken, dass es sehr lange dauern wird, bis wir wieder normale soziale Kontakte aufnehmen können.
Beziehungen
Niemand weiss im Moment, wie sich die Beziehungen der Menschen und der Staaten im Nachgang der Corona Virus – Krise verändern wird. Vielleicht werden Grenzen geschlossen bleiben oder gar neue gezogen – oder wir lernen wir, dass nur eine weltweite Solidarität uns rettet. Hat sich Eure Beziehung zur Wissenschaft, Politik, zu Eurem sozialen Umfeld und auch zur fernen Heimat auf Eurer Reise verändert?
Diese Frage ist für mein Verständnis ziemlich vage. Ich denke und hoffe, dass die Regierungen aus dieser dramatischen Situation lernen, der vorherigen Globalisierung Grenzen setzen und ihre Gesundheitspolitik verbessern werden.
Zukunft
Joseph Conrad schrieb: Dem Traum folgen und nochmals dem Traum folgen und so ununterbrochen – bis zum Ende. Doch nun sitzen wir alle fest. Ist der Traum nun zu Ende? Wie geht’s weiter?
Im Moment würde ich das anwenden, was ich aus meinen Tauchstunden gelernt habe, wenn wir auf ein Problem stoßen: 1 Stopp, 2 Denken, 3 Handeln. Ich denke, dass die Einreise in neue Länder für eine Weile komplizierter werden wird: Die Q-Flagge wird wahrscheinlich ihre ursprüngliche Bedeutung zurückerhalten. Quarantänezeiten und medizinische Untersuchungen können verstärkt werden.
Positiv
Was die positivste Erfahrung, das Beste welche Ihr seit dem lock down erlebt habt?
Die positivste Erfahrung ist die globale Solidarität, die wir seit unserer Ankunft in Pearl Bay gefunden haben: Hilfe kam von anderen Yachties, aber auch von lokalen Filipinos und Filipinas. Ich schätze ihre Widerstandsfähigkeit, ihr Verständnis für das Leben auf dem Meer und die Bedürfnisse von Yachties, vielleicht weil sie selbst so viele Seeleute in ihrer Bevölkerung haben… Wir fühlen uns gesegnet, in einer so einladenden Umgebung eingesperrt zu sein.
@corinne.gautchekov
Aktuelle Position: 12º 01N 119º 58 E, Coron Palawan province – Philippines
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